Der Vorstand des Tus Bad Aibling – Karin Kunze, Klaus Peter Blume und Alexander Westphal – konnten vor kurzem einen sehr angenehmen Termin wahrnehmen. In Thann besuchten sie -mit einem selbst drapierten Vitalkorb als Präsent gewappnet- Sepp Riedl, den derzeit einzigen Deutschen Meister im Verein. Genau genommen ist Sepp sogar doppelter Deutscher Meister – und zwar im Diskuswerfen und im Kugelstoßen. Allerdings liest man in den überregionalen Zeitungen nicht so viel von dieser Glanztat. Denn seine Erfolge erzielt er in der Altersgruppe M90, wo die Konkurrenz eher dünn gesät ist. Zu fürchten bräuchte er sie sowieso nicht, der rüstige 91-jährige war sein Leben lang als Leichtathlet aktiv und in allen Altersklassen ein überaus erfolgreicher Werfer.
Es war ein sehr launiger und angenehmer Nachmittag, als man bei -von der ebenfalls sehr rüstigen Ehefrau Martha- selbst gemachtem Zwetschgendatschi und Schmalznudeln aus dem unendlichen Anekdotenschatz von Sepp erfuhr. Kurz nach dem 2. Weltkrieg wurde die Fachwelt überregional auf den „kraftstrotzenden Bauernbub“ (Zitat aus einer Zeitung von damals) aufmerksam. Er kam in mehreren deutschen Jugendmeisterschaften ganz weit nach vorne (Deutscher Jugendmeister 1948 im Kugelstoßen und Diskuswurf, 1949 im Kugelstoßen) und wurde sogar bereits mit dem Kugelstoßolympiasieger von 1936 -Hans Woellke- verglichen. Die Fahrten zu den Turnieren waren abenteuerlich, für eine über achtzig Mark teure Fahrkarte nach Stuttgart erbat man bei Zuschauern im heimischen Bad Aibling kurzerhand Spenden – es kam mehr als genug zusammen. Neben Talent half dem jungen Riedl das regelmäßige Training auf dem heimischen Hof. Durch Stallarbeit bestens aufgewärmt, erzielte er vermutlich die eine oder andere werferische Topleistung im Hinterhof, ohne sie je zu messen. Gemessen wurde nur bei Wettkämpfen. Einmal, so erzählt Sepp mit verschmitztem Lächeln, habe ihn bei einem überregionalen Wettbewerb ein Sportler aus München unter seine Fittiche genommen; dieser empfahl ausführliches Warmlaufen – „damit nix reißt“. Riedl war nach dieser, für ihn ungewöhnlichen Vorbereitung, so erschöpft, dass er im Wettkampf fast unterging; nachträglich vermutet er in dem freundlichen Hauptstädter einen Fan der Konkurrenz!
Später hatte er immer weniger Zeit für die Leichtathletik. Sieben Kinder und ein Hof wollten versorgt sein und das passte nicht mehr mit Auftritten in den Stadien überall in der Republik zusammen. Seine Leidenschaft in seiner knapp bemessenen Freizeit galt nun dem Singen. Im bekannten Rosenheimer Ackermann-Chor schaffte Riedl es mit seiner Baritonstimme sogar zum Solisten, der Höhepunkt dieser Zeit war ein Auftritt in New York.
Erst im höheren Alter packte Sepp die Wurfgeräte wieder aus: Bei regionalen und überregionalen Sportfesten steht er seitdem in seiner Altersklasse eigentlich immer auf dem Stockerl – so wie zuletzt in Erding bei der Deutschen.
Wir wünschen „unserem“ Deutschen Meister noch ganz viel Zeit im Kreise seiner tollen Familie und weiterhin viele Medaillen. Der TuS ist stolz, diesen besonderen Menschen in seinen Reihen zu haben!
Vitalkorb „a la Karin“